Detmold/Berlin (ots) – Toleranz, Weltoffenheit, respektvolles Miteinander und außerschulisches Lernen – unabhängig von sozialer oder kultureller Herkunft. Für diese und viele weitere Werte steht das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) seit seiner Gründung und zählt damit zu den wichtigsten Akteuren für Gemeinwohl und Zivilgesellschaft im Land. Eigentlich wollte der 2,4 Millionen Mitglieder starke Verband im vergangenen Jahr den 111. Geburtstag der heute weltumspannenden Jugendherbergsidee mit vielen nachhaltigen Aktionen feiern – doch dann kam die Corona-Pandemie und mit ihr die monatelange Schließung der rund 450 Häuser. Auch im zweiten Monat des neuen Jahres herrscht in den meisten der sonst so belebten DJH-Jugendherbergen gähnende Leere und ein Zeitpunkt, ab wann sich dies wieder ändern wird, ist aktuell nicht absehbar.
Unverschuldete Verluste durch Corona aber positiver Trend bei den Familien
Der Blick auf die Zahlen macht deutlich, wie schwer die aktuelle Corona-Lage die Jugendherbergen trifft. Konnten 2019 noch rund 10 Millionen Übernachtungen in den DJH-Häusern erreicht werden, waren es 2020 nur noch etwas mehr als 3,6 Millionen – ein deutlicher Rückgang von 63 Prozent. Besonders schwer wiegt in diesem Zusammenhang der fast gänzliche Wegfall von Klassenfahrten und anderen Gruppenaufenthalten, welche bisher die größten Gästegruppen im DJH darstellten. Zum Vergleich: 2019 verzeichneten die DJH-Häuser aus den Schulen und Hochschulen des Landes mehr als 3,6 Millionen Übernachtungen – 2020 waren es nur noch etwa 650.000 und damit 82 Prozent weniger als im Vorjahr. Dabei versprach der Reservierungsstand vor dem ersten Lockdown ein gutes Jahr für das DJH. „Daran sieht man, dass uns Corona vollkommen unverschuldet den Boden unter den Füßen weggezogen hat“, erklärt DJH-Hauptgeschäftsführer Julian Schmitz. Zwar seien einige Jugendherbergen nach dem Ende des ersten Lockdowns vor allem von Familien und neuen Gästen in der Sommer- und Ferienzeit gut besucht gewesen, dies habe aber den Wegfall der Gruppenreisen nicht auffangen können. „Trotzdem haben wir ein überaus positives Feedback der Reisenden erhalten, die nicht nur die Jugendherbergen für sich neu entdeckt haben, sondern auch froh und dankbar waren, nach den kräftezehrenden Monaten endlich wieder als Familie eine unbeschwerte Zeit an tollen Standorten verbringen zu können“, resümiert der DJH-Hauptgeschäftsführer. Mit rund 42 Prozent der Gesamtübernachtungen stellten die Familien 2020 fast die Hälfte der Gäste in Jugendherbergen. „Daran wollen wir in diesem Jahr anknüpfen und durch das Angebot von schönen und bezahlbaren Urlauben vor allem die Familien stärken, die etwa durch Homeoffice, Homeschooling und sehr eingeschränkte Sozialkontakte unbedingt eine `Luftveränderung´ brauchen – eben wieder zusammen Gemeinschaft erleben möchten“.
Treue Mitglieder und Zuspruch aus der Bevölkerung
Trotz der schwierigen Lage erfährt der Verband vor allem von der Öffentlichkeit und seinen Mitgliedern viel Unterstützung und Zuspruch. „Unsere Petition zur Rettung der Jugendherbergen wurde über 200.000 Mal unterzeichnet und im Bereich der Mitgliedschaft konnten wir 2020 so wenige Austritte verzeichnen wie seit zehn Jahren nicht mehr. Dies zeigt, dass die Jugendherbergen in breiten Teilen der Bevölkerung einen hohen Stellenwert genießen und eben mehr sind, als nur ein bloßer Übernachtungsanbieter“, erläutert Julian Schmitz und fügt an: „Dieser besonderen Rolle sind wir uns bewusst, denn Jugendherbergen stehen aus der Tradition heraus für Werte, die das Fundament des Gemeinwohls bilden. Deshalb ist es für uns auch selbstverständlich, nicht nur die getroffenen Maßnahmen der Regierung zu respektieren, sondern auch selbst aktiv zu werden und die Jugendherbergen in der Pandemie beispielweise für Sondernutzungen als Flüchtlingsunterkünfte, für Obdachlose oder aktuell als Impfzentren anzubieten“.
DJH hat „eigene Hausaufgaben“ erledigt und hofft auf Rückkehr der Gäste
Außerdem habe das DJH die vergangenen Monate genutzt, um auf die neuen Anforderungen gut und nachhaltig zu reagieren – etwa mit einem eigenen Hygienekonzept, entwickelt mit Experten und für jede Jugendherberge und jede Gästegruppe nutzbar. Speziell für Klassen- und Gruppenfahrten wurden Angebote und Programme neu konzipiert sowie Hilfestellungen für die Pädagoginnen und Pädagogen erarbeitet. Angepasste und flexible Stornierungsbedingungen machen außerdem das verfrühte Absagen von Aufenthalten überflüssig. „Mit all diesen Maßnahmen sehen wir uns sehr gut vorbereitet und stehen bereit, sobald eine Wiedereröffnung möglich ist. Was aktuell sicherlich am meisten fehlt, ist eine klare Perspektive, wann es wieder losgehen kann – nicht nur für unsere Gäste, sondern auch für die Mitarbeitenden, die fast ausschließlich seit Monaten in Kurzarbeit sind“, fasst Julian Schmitz zusammen und stellt klar: „Die Tatsache, dass wir als gemeinnütziger Verband keine Rücklagen von nennenswertem Umfang bilden dürfen, die uns jetzt weiterhelfen könnten, macht den dringenden Unterstützungsbedarf für das DJH deutlich.“ Diese Situation und die schwierige Lage sei mittlerweile auch von der Politik erkannt worden, so Schmitz. „Die Bereitschaft zur Hilfe ist da und darüber sind wir froh, denn klar ist, dass die Jugendherbergen auch weiterhin die wichtige Rolle für unsere Gesellschaft einnehmen wollen, die man ihnen zugeteilt hat. Dies gilt insbesondere für die außerschulische Bildung und das soziale Lernen im Rahmen der Klassenfahrten. Ein Blick auf die Zahlen 2020 sowie die aktuellen Pandemie-Entwicklungen machen aber deutlich: Können unsere Mitglieder noch über einen längeren Zeitraum nicht zu uns kommen, sind wir auf weitere Unterstützung angewiesen“, fasst der DJH-Hauptgeschäftsführer zusammen.
Das DJH in Zahlen
– 438 Jugendherbergen in 14 DJH-Landesverbänden
– 68.298 Betten
– Rund 3,6 Millionen Übernachtungen, davon rund 72 % in Land- und Kleinstadtjugendherbergen, darunter 127.932 Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland.
– Wichtigste Gästegruppe 2020: Familien (42 Prozent der Übernachtungen) vor Schulen/Hochschulen (18 Prozent) und Gruppen (13,5 Prozent).
– 2.379.463 DJH-Mitglieder
– Rund 4.500 hauptberufliche sowie etwa 800 ehrenamtliche DJH-Mitarbeitende
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